Auf den Wänden unserer neugebauten Häuser in den Kronenstraße

LiebeR Sprayer*in,

eigentlich wollte ich Dir nicht schreiben, aber wo Du jetzt Deine Parolen noch einmal auf das Haus gesprüht hast, melde ich mich.

Also mal so: Deine Graffitis haben uns alle in Staunen versetzt. Weißt Du, warum?

Wir haben uns gefragt, warum Du Dich nicht mal schlau gemacht hast, wer hier eigentlich wohnt. Schließlich haben wir keine geschlossenen Zäune und Hecken. Du hättest einfach einmal auf das Gelände kommen und uns ansprechen können, so wie es viele andere Bochumer Bürger*innen machen. Bestimmt hättest Du jemanden getroffen, von den jungen Familien mit den kleinen Kindern, den home office-Arbeiter*innen, den Schichtarbeiter*innen, den fleißigen Rentner*innen im Gemeinschaftsgarten oder den Patient*innen aus der Tagespflege.  

Oh je, ich fürchte, ich weiß, warum Du das nicht getan hast. Du bist gar nicht auf die Idee gekommen, weil Du findest, dass uns Handwerker*innen, Pflegekräften, Sozialarbeiter*innen, Sozialhilfeempfänger*innen und vielen anderen ein solches schönes Wohnen mit großen Fenstern, Balkon und Grasdach nicht zusteht. Vielleicht sollten die Deiner Vorstellung nach eher so wohnen wie die netten Nachbarn in den anderen Wohnhäusern im Stadtteil. Stimmt, da wohnen auch so Leute wie wir. 

Und außerdem hast du ja auch unser Haus mit „Give us the hood back“ verziert. Offensichtlich weißt du gar nicht, was sich auf dem Gelände einmal befunden hat: eine alte Möbelfabrik, die über versifften Tankstellenresten und giftigen Gleisanlagen gebaut war, der Umweltskandal schön unter dem Asphalt begraben.  Die Möbelfabrik war übrigens bloß eine „hood“ für Tauben und sehr genügsame Ratten. Die Fabrikgebäude waren durch Stahltüren so unzugänglich wie das ganze unwirtliche Firmengelände hinter einem hohen Zaun– das weißt Du natürlich nicht, war ja nicht deine hood.

Wir haben die Fabrik abgerissen, die giftigen Baustoffe weggebracht, das Gelände von der Teerdecke befreit, die Öltanks ausgegraben und den kontaminierten Boden abgetragen. Wir haben die Fläche für Wohnraum erschlossen und eine grüne Landschaft geschaffen, die außer Dir alle Menschen im Stadtteil sowie Vögel und Igel erfreut – aber vermutlich wohnst Du ja auch gar nicht hier. 

Komm doch mal bei schönem Wetter auf einen Kaffee im Garten vorbei!

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